Renate Löding
Lichtblicke
11.05.2025 bis 05.06.2025
Die Neumünsteraner Künstlerin Renate Löding nähert sich mit den Mitteln der Keramik den vielfältigen Formen der Natur an. In der Technik der Aufbaukeramik erarbeitet sie Objekte, die sie auf Reisen, am Meer oder im Garten findet. Ihr bevorzugtes Material ist Paperclay (Papierporzellan), das nach einer selbst entwickelten Rezeptur angemischt wird. Die Porzellanmasse wird mit Papier vermischt und verändert dadurch die ursprünglichen Eigenschaften. Beim ersten Brand verbrennt das Papier wieder, wodurch die Keramik leichter und fester wird und ganz besondere Oberflächen entstehen, deren sichtbaren Materialeinschlüsse und Poren künstlerische Aufgaben erfüllen.
Vita
- 1940 – geboren in Neumünster
- 1980 – Erste Arbeiten in Ton
- 1983 – eigene Werkstatt in Neumünster / Werkstattausstellungen
- 1987-2005 – Arbeitskreis Keramik unter künstlerischer Leitung von Susanne Kallenbach, Neumünster
- Mitglied im BBK Schleswig-Holstein und im Verein multiple art
Termine
- Samstag, 17. Mai – Fahrradtour im Rahmen des Kreiskulturwochenendes mit Stopp im Torhaus / Anmeldung unter 04121 – 62380
- Sonntag, 18. Mai – Renate Löding ist während der Öffnungszeiten anwesend und erläutert ihre Arbeiten und Technik
Anders Petersen Einführung am 11.05.2025
Lichtblicke
Wir Menschen beschäftigen uns seit ca. 20.000 Jahren mit der Keramik und schon zu Anfangszeiten entstanden neben Gefäßen Skulpturen, meist nach heutiger Interpretation der Fruchtbarkeit gewidmet. Denken wir an die Venus von Dolni Vestonice, eine weibliche Figur, vergleichbar mit der aus Kalkstein gefertigten und bekannteren Venus von Willendorf. Aus ähnlich vergangener Zeit kennen wir die ersten Drucktechniken. Handabdrücke in den Höhlen Spaniens, Frankreichs oder in Indonesien. Ob grafisches Symbol, ob Signatur ist nicht eindeutig zu klären, aber auf jeden Fall ein Zeichen: Wir Menschen sind da und drücken uns aus.
Wie die Druckkunst, die sich vom Handabdruck zum Digitaldruck hinentwickelt hat, ist auch die Keramik durch Experiment und Forschung geprägt worden und hat eine fortschreitende Entwicklung genommen. Gesellschaftliche Erfordernisse und Wünsche waren die Katalysatoren. Als Beispiel möchte ich hier kurz auf die Geschichte der wohl in Deutschland bekanntesten Alchemisten Johann Friedrich Böttger 1682-1719 und Johannes Kunckel 1630-1703 eingehen.
Als Jugendlicher hatte Böttger Johannes Kunckel in Berlin kennengelernt und war damit der Faszination den Stein des Weisen, die Möglichkeit Gold zu erzeugen, erlegen. Neben dieser persönlichen Bekanntschaft verbindet beide ihr jeweiliger Lebensweg, der von ihren damaligen Landesherren maßgeblich bestimmt wurde. Friedrich August der Erste von Sachsen und Friedrich Wilhelm von Brandenburg, wie wohl alle Feudalherrscher dieser Zeit immer knapp bei Kasse, sahen sowohl in Kunckel als auch in Böttger die Lösung ihrer finanziellen Probleme. Abgeschieden von der Öffentlichkeit, Böttger als Staatsgefangener und Kunckel auf der Potsdamer Pfaueninsel eher in privilegierter Abgeschiedenheit fanden nicht den Stein der Weisen, aber der eine wurde wegweisend für die Glasherstellung und der andere für die europäische Porzellanherstellung. Vermutlich glaubten beide daran – zumindest spiegelten sie es vor – über die Umwandlung unedler Metalle Gold und Silber in großen Mengen erzeugen zu können. Aber ihre Forschungen und ihre Versuchsreihen, führten zu unerwarteten technologischen Fortschritten.
Und um nun zu unserer heutigen zeitgenössischen Künstlerin Renate Löding zu kommen, waren es nicht nur technologische Fortschritte, sondern auch die bildenden Künste wurden durch ihre Forschung befördert. So stellte Johannes Kunckel zumindest etwas verwundert fest, dass der hochselige Herr Kurfürst ein Liebhaber von seltenen und kuriosen Dingen war und er sich freute, wenn etwas zustande gebracht wurde, was schön und zierlich war.
Nebenbei: „Was dieses genützt hat, diese Frage kann ich nicht beantworten.“ – so konstatiert Johannes Kunckel reichlich lapidar. Eine Frage, die uns Künstlerinnen und Künstler auch heute immer wieder gestellt wird und deren Antwort eigentlich immer in unseren Arbeiten zu finden ist.
Renate Löding hat sich ihre Kenntnisse der Keramik bei Susanne Kallenbach erarbeitet. Susanne Kallenbach ist den Elmshornern und den Elmshorn-Besucherinnen bekannt, wenn sie in der Fußgängerzone den Boden vor der Stadtbücherei aufmerksam wahrgenommen haben. Dort befindet sich die „Litanei vom Es“. Ein Gedicht von Hans Magnus Enzensberger, das die Künstlerin dort in die Pflastersteine eingelassen hat. Kallenbach war eine der ersten Stipendiatinnen der Stadttöpferei in Neumünster, dem heutigen Keramikkünstlerhaus Neumünster und zeitweise kommissarische Leiterin dieser für die Keramik weltweit bedeutenden Institution.
Heute hat Renate Löding sich mit ihren Arbeiten und Ausstellungen selbst einen bekannten Namen in der Kunstszene Schleswig-Holsteins erworben. Begonnen hat sie, wie viele Keramikeinsteigerinnen mit Gefäßen und Schalen, die auf der sogenannten „Wulstechnik“ basierten. Seit 2003 verwendet sie bevorzugt Paperclay und Paperporzellan, die es ihr ermöglichen, skulptural, also künstlerisch zu arbeiten. Diese Werkstoffe entstehen, indem Ton oder Porzellan mit Cellulose in unserem Fall Papier vermischt wird. Die so entstandene Modelliermasse hat im Trocknungsprozess eine hohe Formbeständigkeit, die ein dünnwandiges, filigranes Arbeiten ermöglicht. Im Brennvorgang verbrennen die Papierfasern, es entstehen feinste Hohlräume, die das Objekt leichter werden lassen, ohne die Stabilität zu beeinträchtigen. Wenn wir einen bildlichen Vergleich möchten, könnten wir an den Aufbau der Skelette von Steinkorallen denken.
Und damit habe ich auch eine Überleitung zur vorwiegenden Thematik dieser Ausstellung. Schon beim Betreten des Torhauses haben sie in unserem gläsernen Anbau jetzt zum Aquarium geworden, das Triptychon „Fantastic Garden“ erleben dürfen. Allerlei Meeresgetier und Meerespflanzen finden sich dort harmonisch angeordnet an der Stirnwand. Wir können Abformungen von realen Muscheln oder Wellhornschnecken entdecken, die spielerisch mit Früchten und anderen Ausprägungen der Natur verbunden sind. Mit der Montage auf einer schwarz grundierten Platte unterstützt die Künstlerin die Farbigkeit der Keramiken im Kontrast und es ist darüber hinaus in Coronazeiten ein durchaus lebensbejahendes Werk entstanden.
Mit der Gegenüberstellung der großen Muschelschalen wird eine Grundhaltung der Künstlerin sichtbar. Zum einen Inspiration aus der Naturbeobachtung zu schöpfen, sie abzubilden, aber auch sich mit dem Wachstum und dem sich bedingenden Verfall und Verlust auseinanderzusetzen.
Die Hommage an das Meer, die See, den Ozean bleibt auch sichtbar in weiteren ausgestellten Arbeiten, entweder als Bildplatten oder als muschelartige Gefäße. Wie Charles Trenet in dem Chanson „La Mer“ die verschiedenen Stimmungen der See besingt und von diesen berührt wird, zeigt uns Renate Löding die unendliche Vielfalt der Farben des Meeres. Bei Trenet heißt es in der deutschen Übersetzung: „Das Meer, es hütet das Blau ohne Grenzen.“
Hinzu kommen die Glasuren, die uns vorgaukeln, wir könnten aus den Objekten das Wasser der Biskaya wie aus einer Auster in Arcachon schlürfen.
Ich hätte auch die symphonischen Skizzen Debussys mit dem gleichen Titel: „La Mer“ anführen können. Doch das Chanson Trenets ist deutlich realistischer und damit kommen wir der Künstlerin Renate Löding näher. Zudem war Trenet nicht nur Sänger, sondern auch Dichter und Maler. Vor allem hat er die Aquarellmalerei ausgeübt und so könnte von mir Lödings Wandarbeit mit dem Titel „Himmel und Erde“, das sie in der Landesschau in Schleswig erfolgreich gezeigt hat, wie der Aquarellkasten einer Malerin gedeutet werden. Blaue und grüne Töne finden sich angemischt in den quadratischen Farbnäpfen und verweisen auf entstandene Arbeiten, wie die expressiven keramischen Platten
neueren Datums, die auf dieser Farbigkeit basieren. Letztlich allgemeiner: Das Blau des Himmels wird immer die Wahrnehmung unserer grünen Landschaft beeinflussen und verändern.
In den „Variationen“ und „Lichtblicken“ entdecken wir auf dünnwandigem Porzellan die Abdrücke von Verpackungsmaterialien, Gold blitzt und die Lust am Experiment wird deutlich.
Wie die vorhin erwähnten Austern wachsen die Skulpturen von Renate Löding in Schichten. Sie offenbaren ihre innere Struktur, scheinen zerbrechlich zu sein, was die Künstlerin durch die offen belassenen Ränder noch betont und sind damit auch ein Verweis auf die Vergänglichkeit.
Besonders deutlich wird dies in den Buchobjekten oder in der Arbeit mit dem Titel „Aussicht“, die als Anmutung auf Überbleibsel von Gebäuden verweisen könnte. Der schichtweise Aufbau der Keramiken und die Möglichkeit, wie vorhin erwähnt, mit dünnen Materialstärken zu arbeiten, lässt die Beschäftigung mit Papierobjekten wie Büchern oder Papyrusrollen fast zwangsläufig erscheinen.
Renate Löding nennt die Buchskulpturen „Stille Seiten des Verlusts“. Aus ihrer Sicht sind sie ein Verweis auf den schleichenden Verfall der physischen Buchkultur. Was wir früher „schwarz auf weiß“ nach Hause tragen konnten, finden wir zunehmend auf gewischten Smartphoneseiten. Ihre Objekte sind eine Erinnerung an sorgfältige, edle Einbände aus Leder mit Goldprägungen. An ausgewogenen Bleisatz, den wir ertasten können. An handschmeichelndes Papier. An Knicke und Verfärbungen, die auf zahlreiche Lesende verweisen. Und so stellt sie die Frage: „Was bedeutet es, wenn das Geschriebene – und ich füge hinzu – das Gedruckte nicht mehr greifbar ist?“
Wie eingangs mit dem Ausflug in die Alchemie angedacht, können wir künstlerische Materialien entwickeln und erforschen. Wir können Kunstwerke vermessen und ihr Gewicht wiegen. Die Kunst selbst aber lässt sich mit technischen Hilfsmitteln nicht ermessen. Dafür braucht es uns die Betrachterinnen und Genießerinnen, die Kunstwissenschaftlerinnen und aufgeschlossene Kunstvereine wie den Kunstverein Elmshorn.
Anders Petersen – Künstler und Kunstvermittler